Die Geheimnisse der Mediterranen Küche
Veröffentlicht im luxemburgischen Magazin Revue (Nr 32/2018)
Die mediterrane Küche gilt als eine der gesündesten Ernährungsformen schlechthin! Aber was steckt dahinter? Nicht länger leben, sondern länger gesund leben – das ist die neue Devise. In einer Zeit, wo gesunde und bewusste Ernährung mittlerweile zum guten Ton gehört, haben wir uns auf die Suche nach den Geheimnissen der mediterranen Küche gemacht.
Wer kennt das nicht: die Erinnerungen an laue Sommerabende und samtweichen Rotwein vom letzten Urlaub lassen einem keine Ruhe! Wer einmal am Mittelmeer Urlaub gemacht hat, wird die Landschaft, die Menschen aber vor allem das Essen nicht so schnell vergessen. Aber es ist nicht nur das Meer, das einem warm ums Herz werden lässt, sondern die Kultur und die Lebensweise der Menschen, die uns dort willkommen heißen.
Die mediterrane Küche lässt sich nicht so leicht definieren – ist es nun eher die italienische, griechische, spanische oder nordafrikanische Küche? Kurz gesagt: es sind alle! Die Mittelmeerküche ist so facettenreich wie die Länder der Region – alle haben sie eigene Zutaten, Rituale, Wissen und Traditionen, die ihrer lokalen Küche die Seele einhauchen. Aus diesem Grund hat die UNESCO auch die mediterrane Lebensweise als „immaterielles Kulturerbe“ klassifiziert.
Die länderspezifischen Unterschiede in der Kultur und den Zutaten legen den Grundstein für individuelle Küchen. Jedoch haben sie aber auch ein paar Dinge gemeinsam. Die Mittelmeerküche oder die mediterrane Ernährungsform wird daher im wissenschaftlichen Umfeld gerne wie folgt beschrieben: zunächst ist die Hauptquelle an Fett das Olivenöl und nicht tierische Fette. Der moderate Konsum an Rotwein sowie einen hohen Anteil an frischem Obst und Gemüse, Fisch, Nüssen, Hülsenfrüchten, Zerealien und nur einen geringen Anteil an rotem Fleisch und Milchprodukten zeichnen diese Ernährungsform aus. Aber was macht diese Küche so besonders? Und wieso hilft sie uns ein gesünderes Leben zu führen?
Schon Mitte letzten Jahrhunderts wurde beobachtet, dass die Menschen aus mediterranen Regionen viel weniger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten, als zum Beispiel Menschen aus nördlicheren Regionen Europas. Wissenschaftlichen Studien zur Folge senkt eine mediterrane Ernährungsform das Risiko unter anderem für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Um die positiven Aspekte der mediterranen Küche auf unsere Gesundheit zu erklären, bedarf es einem kleinen Ausflug in die Biochemie unseres Körpers und unserer Gesundheit. Laut WHO sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache unserer Zeit (fast 31 % der weltweiten Todesfälle). Herzinfarkte und Schlaganfälle machen rund 80 % dieser Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Besonders stark ist dies in den westlichen Nationen zu beobachten, wo diese „Zivilisationskrankheiten“ weit häufiger töten als Krebs, Diabetes, Demenz oder Infektionskrankheiten.
Es gibt viele Ursachen, die zur Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen – die häufigsten aber sind ungesunde Ernährung, Tabakkonsum, Übergewicht, körperliche Inaktivität, Stress und zu hoher Alkoholkonsum. Dies sind meist Lifestyle Entscheidungen, die mit unsere Gesellschaft und Lebensart einhergehen und die sich auf unseren Körper auswirken. So sehen wir oft, dass unsere körpereigenen Mechanismen aus dem Gleichgewicht geraten.
Koronare Herzkrankheiten sowie Schlaganfälle werden teils durch Atherosklerose, einer entzündlichen Erkrankung der Blutgefäßwände, verursacht. Atherosklerose wird zum Teil durch Ablagerung von Fett in den Gefäßwänden verursacht. Dies kann zu einer Gefäßverengung und auch zu einer Versteifung des Gefäßes führen. Zu dieser Fettablagerung kommt es, wenn der Transport von Fetten im Blut gestört ist oder die Transportvesikel beschädigt sind. Dieser Prozess ist „entzündlich“, da dabei unser Immunsystem aktiviert wird. Wenn das Gefäß zu eng wird, oder sich ein entzündliches Plaque aus dieser Fettablagerung löst, kann es zu einem Blutstau kommen, die Sauerstoffversorgung zum Gewebe wird unterbrochen und das Gewebe stirbt ab. Beim Herzen spricht man dann von einem (ischämischen) Infarkt und beim Gehirn von einem Hirnschlag.
Unser Körper benutzt spezielle kleine Vesikel – wie kleine U-Boote- um verschieden Fettarten in unserem Blut zu transportieren. LDL (low density lipoprotein) wird benutzt um verschiedene Fettarten im Körper zu verteilen. HDL (high density lipoprotein) hingegen dient dazu Fette zur Leber zu transportieren, wo sie abgebaut beispielsweise eliminiert werden. Beide sind für einen gesunden Metabolismus nötig – der Körper macht nie etwas ohne guten Grund. Mehr Infos zu den Fetten in deinem Körper hier!
Lifestyle Entscheidungen, wie zum Beispiel Rauchen oder exzessiver Alkohol Konsum, können dazu führen, dass LDL Partikel in der Blutbahn beschädigt oder oxidiert werden. Geschädigte LDL Partikel können den Startschuss für Atherosklerose und in späterer Folge Herz-Kreislauf-Erkrankungen geben. Deshalb sind LDL Partikel eher als „schlechter“ Cholesterol bekannt, HDL hingegen als „guter“ Cholesterol.
Unser Körper ist ein komplexes System, und die Entstehung einer Krankheit kann selten auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden. Aber das mit der mediterranen Küche assoziierte markant reduzierte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde zum Teil auf einen erhöhten Anteil von ungesättigten Fettsäuren in der Ernährung zurückgeführt. Auch spielt die Präsenz von entzündungshemmenden, antioxidativen und antithrombotischen Mikrokomponenten in dieser Ernährung eine wichtige Rolle.
So wurde gezeigt, dass ungesättigte Fettsäuren die LDL-Konzentration im Blut reduzieren. Diese gesunden Fettsäuren findet man zum Beispiel in fettigem Fisch wie Lachs oder Makrele, Oliven und Olivenöl, Nüssen oder Avocado. Andererseits führt ein erhöhter Konsum an gesättigten Fettsäuren dazu, dass die LDL-Werte im Blut steigen, indem mehr LDL produziert wird und weniger abgebaut. Erhöhte LDL Werte im Blut gehen einher mit einem erhöhten Risiko, dass diese Partikel beschädigt werden. Unser Immunsystem wird aktiviert und dies kann zu einer Fettablagerung in den Arterienwänden führen. Die „schlechten“ Transfettsäuren bewirken sogar noch zusätzlich eine Abnahme der HDL-Werte, was das LDL/HDL Verhältnis weiter stört. Transfettsäuren, wie man sie hauptsächlich in gehärteten Fetten wie Margarine oder frittiertem Essen findet, sind aber auch ungesättigte Fettsäuren – es ist daher Vorsicht geboten, wenn es um häufig genutzte Schlagwörter geht..Der Unterschied zwischen den verschiedenen Fettsäuren liegt in ihrer Form. Wenn du mehr über die Fette in deinem Körper wissen willst dann schau dir diesen Artikel an!
Das Wissen rund um unsere körpereigenen Prozesse entwickelt sich rasant. So wurde zuerst in den 80er Jahren Fett als schlecht kategorisiert und es wurde generell zu einer fettarmen Ernährung geraten. Später wurde aber zwischen den vielen verschiedenen Fettsorten differenziert – so gilt bis heute der Rat einen möglichst hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren in unserer Ernährung zu haben.
Gesättigte Fettsäuren sind in gesunden Massen nicht schlecht, wir brauchen sie sogar und können sie auch bei Bedarf selber produzieren– nur ein ungesund hoher Anteil an gesättigten Fettsäuren in der Nahrung wirkt sich negativ aus. Aber der langjährige Glaube, dass gesättigte Fettsäuren mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung stehen, wird jedoch in letzter Zeit in Frage gestellt. So wurde gezeigt, dass nicht alle Arten von gesättigten Fettsäuren Einfluss auf unsere Blutfettwerte haben. Auch die Quelle der gesättigten Fettsäuren soll eine Rolle spielen.
Die positiven Auswirkungen der mediterranen Küche auf unsere Gesundheit können daher nicht nur auf die gefäßschützende Wirkung von ungesättigten Fettsäuren zurückgeführt werden. Olivenöl, Rotwein sowie frisches Obst und Gemüse enthalten auch viele andere gesunde Bestandteile: darunter Polyphenole. Diese wirken entzündungshemmend und antioxidativ, was der Atherosklerose direkt entgegenwirkt. Ein bisschen von allem und alles in Maßen..
Unsere Gesundheit lässt sich aber nicht nur auf die chemischen Vorgänge unseres Körpers zurückführen. Unser mentales Wohlbefinden spielt dabei auch eine ausschlaggebende Rolle. Neben ungesunder Ernährung, körperlicher Inaktivität und weiteren gesundheitsschädigenden Angewohnheiten, spielt Stress auch eine kritische Rolle in der Pathogenese von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es wird derzeit schon diskutiert, dass Stress ein genau so starker Risiko Faktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist wie Rauchen oder erhöhter Blutdruck. Ob Stress direkt einen Einfluss auf die Entwicklung von verschiedenen Krankheiten hat oder ob es durch sekundäre Effekte passiert ist noch unklar. So kann es sein, dass durch Stress der Blutdruck erhöht ist und der Körper erhöhte Level an Stresshormonen wie Adrenalin oder Cortisol ausschüttet. Stress beeinflusst auch unser Verhalten hat – wer gestresst ist, isst vielleicht mehr, macht weniger Sport und hat eher eine Tendenz zu rauchen.
Laut UNESCO sind auch die sozialen Komponenten der mediterranen Lebensweise Teil des Kulturerbes – so spielen das Zubereiten und Teilen einer Mahlzeit eine wichtige Rolle. Der Mensch ist ein Herdentier und zieht aus der Gesellschaft von Familie und Freunde viel Lebensenergie. So wurde auch kürzlich gezeigt, dass ein wichtiger Faktor für Gesundheit im Alter die sozialen Beziehungen sind. Soziale Isolation beeinflusst nicht nur unseren Gemütszustand, sondern auch unsere Biochemie. Menschen, die sich sozial isoliert fühlen, weisen erhöhte Mengen an Stresshormonen und systemischen Entzündungsfaktoren vor – alles auch Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ein anderer ganz erstaunlicher Faktor, der potenziell einen sehr hohen Einfluss auf die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben kann, ist die Geschwindigkeit, mit der man isst. So wurde nachgewiesen, dass Menschen, die langsam essen, viel weniger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten wie Menschen, die ihre Mahlzeiten binnen kürzester Zeit essen. Dies kann teils an der Qualität der Nahrung legen, wer schnell und gestresst isst, legt oft nicht so großen Wert auf qualitativ hochwertige Nahrung. Teilweise hängt es aber sicherlich auch davon ab, wie schnell der Körper einem ein Sättigungsgefühl vermittelt. Normalerweise schüttet der Körper binnen 20 Minuten Botenstoffe aus, die uns sagen, dass wir satt sind. Wer schnell isst, kann in dieser Zeit auch mehr essen, und daher eher zu Übergewicht tendieren. Sicherlich spielt auch der Fettstoffwechsel dabei eine Rolle. Wer beim Essen gestresst ist, löst im Körper auch einen Stress Zustand aus. Der Körper schaltet auf Ausnahmezustand und lagert Nahrung eher als Reserve ein, was auch zu Übergewicht führen kann.
In der mediterranen Lebensweise wird sich oft Zeit für eine Mahlzeit genommen und sie wird im sozialen Umfeld miteinander geteilt – eine Familie und Freunde finden sich für eine Mahlzeit zusammen, teilt die tagtäglichen Vorkommnisse, Freude und Leid miteinander und tut sich mit der Mahlzeit einfach etwas Gutes. Die Mahlzeit ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern ein zentrales Ereignis jeden Tages. Die Menschen lassen, versammelt um einen Tisch mit dampfendem Essen, die Welt einfach einmal Welt sein und tauchen ab in die Sicherheit und Ruhe eines Seelen wärmenden Essens. Und das macht meiner Meinung nach das Geheimnis der mediterranen Küche aus: Essen dient nicht nur dem Überleben, sondern gibt Wärme, Beisammensein, Kraft und Ruhe – alles, was uns in unserer modernen Welt heutzutage allzu oft fehlt.
(Bibliographie auf Anfrage)
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Wenn du auch neugierig bist wie Fette in deinem Körper reagieren und welche Rolle sie spielen, dann schau dir diesen Artikel in meiner Rubrik „The bubbly biochemist“ an!