Allergien – sinnvoll oder lebensgefährlich?

Veröffentlicht im luxemburgischen Magazin Revue (Nr 25/2019)
Nicht nur der Frühling löst bei manchen unter uns Allergien gegen Pollen und Gräser aus, auch Nahrungsmittel, Staub, Milben oder Medikamente können Allergien auslösen. Aber was ist eigentlich eine Allergie und wieso trifft es immer mehr Menschen?
Die Allergiesaison läuft auf Hochtouren – juckende Augen, Niesanfälle und eine rinnende Nase sind oft nur die harmloseren Symptome eines typischen Heuschnupfens. Aber nicht nur Gräser und Pollen können eine allergische Reaktion hervorrufen – gefährlicher sind Allergien gegen Bienengift, Nüsse oder Schalentiere. Viel zu oft wird sofort zu anti-allergischen Mitteln gegriffen, ohne sich den möglichen Konsequenzen bewusst zu sein.
Was ist eine Allergie?
Ein gesundes Immunsystem kann sehr genau unterscheiden was zu uns gehört und was nicht, sowie was uns schaden kann und was nicht. So erkennt unser Immunsystem, wenn körperfremde Stoffe wie Essen, Getränke oder Staub aber auch Bakterien oder Viren in uns eindringen und kann normalerweise ganz genau abwägen was uns schaden kann und was nicht.
Wenn unser Immunsystem den Unterschied zwischen eigen und fremd nicht machen kann, und sich gegen unser eigenes Gewebe richtet, so sprechen wir von einer Autoimmunerkrankung. Ein gutes Beispiel dafür ist Diabetes Typ 1, bei dem unser Immunsystem unsere Insulin-produzierenden Zellen als fremd erkennt und zerstört. Ein anderes Beispiel ist die Multiple Sklerose, bei der unser Immunsystem unser zentrales Nervensystem angreift.
Bei einer Allergie hingegen kann der Körper sehr gut zwischen eigenen und fremden Stoffen unterscheiden, stuft jedoch oft harmlose fremde Stoffe als bedrohlich ein. Eine Allergie ist also eine Überreaktion unseres Immunsystems gegenüber sonst harmlosen Stoffen, sogenannten „Allergenen“. Unsere Abwehr reagiert dementsprechend um unseren Körper zu „schützen“. Eine Allergie ist nicht mit einer Unverträglichkeit zu verwechseln, wie wir sie zum Beispiel bei der Laktose sehen.
Wie entstehen Allergien?
Eine Allergie entsteht, nachdem der Körper einen ersten symptomlosen Kontakt mit dem Allergen hatte und sensibilisiert wird. Das heißt, er erkennt ab jetzt dieses Allergen als bedrohlich. Die Entwicklung einer Allergie kann zwischen Tagen und Jahren dauern. Ähnlich wie bei einer Impfung kann der Körper sich bei einem erneuten Kontakt mit dem Allergen daran „erinnern“ und viel schneller eine Immunreaktion aufbauen. Welche biologischen Mechanismen der Entstehung von Allergien zugrunde liegen ist noch nicht ganz klar. Genetische Prädispositionen sowie das „Trainieren“ des Immunsystems im Kindesalter spielen sicherlich eine Rolle.
Die „Hygienehypothese“ spekuliert, dass die zunehmenden hygienischen Bedingungen, in denen wir leben, nicht immer von Vorteil sein muss. So leiden zum Beispiel Kinder, die in einem Bauernhof aufgewachsen sind oder mehrere ältere Geschwister haben, viel seltener an Asthma oder Heuschnupfen. Die Theorie schlägt vor, dass ein frühzeitiges Trainieren des Immunsystems im Kindesalter hilft, die richtigen Weichen für eine gesunde Abwehr als Erwachsener zu setzen. Ein „unterfordertes“ Immunsystem kann sich demnach mit der Entwicklung von Allergien austoben.
Eine andere Theorie besagt, dass ein Zurückgehen parasitärer Erkrankungen in der westlichen Welt auch eine Rolle spielen könnte. IgE-Antikörper, die ihren Einsatz spezifisch bei einer parasitären Erkrankung finden, spielen auch bei Allergien eine Rolle. Da das Immunsystem nur mehr wenige parasitäre Befälle bekämpfen muss, könnte es zu harmloseren Strukturen „umgeleitet“ werden. Forschungsergebnisse zu dieser Theorie sind jedoch widersprüchlich.
Es liegen viele Theorien vor, die verschieden Umweltfaktoren sowie Lebensgewohnheiten für das erhöhte Vorkommen von Allergien verantwortlich machen. Es liegt aber sicherlich nicht nur an einem Faktor, dass ein so komplexes System wie unser Immunsystem aus der Balance gerät.
Welche Arten von Allergien gibt es und wie können sie behandelt werden?
Allergische Reaktionen können generell in 4 verschiedene Typen eingestuft werden, wobei die Allergien vom Typ I und IV die häufigsten sind. Die Typ-I Allergie (Soforttyp, anaphylaktischer Typ) ist die häufigste Form der Allergie. Sie entsteht binnen Sekunden oder Minuten und kann im schlimmsten Fall in einem anaphylaktischen Schock enden. Typische Beispiele für diesen Typ Allergie ist der Heuschnupfen, Asthma, Nesselsucht oder Nahrungsmittelallergien. Da verschiedene Nahrungsmittel wie Nüsse oder Schalentiere sehr schnelle und extreme allergische Reaktionen hervorrufen können sind auch jetzt Restaurants dazu verpflichtet, verschieden Allergene in ihrer Karte anzugeben. Die Allergie vom Typ IV (verzögerter Typ) ist die zweithäufigste Form der Allergie und entsteht etwas langsamer binnen 12-72 Stunden. Typische Beispiele für diese Allergie sind Transplantationsabstoßungen oder Kontaktekzemen. Ob eine Transplantationsabstoßung als Allergie eingestuft werden kann, lässt sich diskutieren, da der Körper ja seine „Arbeit“ ernst nimmt und fremdes Gewebe erkennt, es aber fälschlicherweise als Gefahr einstuft und bekämpft.
Allergien können durch verschiedene Maßnahmen behandelt werden. An allererster Stelle gilt einmal die Vermeidung des Allergens. Bei weniger akuten Reaktionen kann ein kompetenter Arzt eine gezielte medikamentöse Behandlung verschreiben. Bei dieser sollte man aber Vorsicht bewahren – verschiedene Medikamente „beruhigen“ das Immunsystem, was bei einer Allergie von Vorteil ist, bei einer Infektion aber gefährlich werden könnte, da unsere Abwehr abgeschwächt ist. Daher sollten allergische Mittel immer nur nach Rücksprache mit einem Arzt verwendet werden.
Tipps & Tricks: Was kann man im Alltag tun, um allergische Beschwerden zu minimieren?
Bei Heuschnupfen gibt es verschiedene Tipps und Tricks, die allergische Symptome erleichtern können. Es gilt das Allergen, in diesem Fall die Pollen zu vermeiden (Allergenkarenz)- dazu muss man aber den Auslöser kennen. Der erste Schritt besteht also aus einem (oder mehreren Arztbesuchen) und einer soliden Diagnose.
Im Alltag kann man einige Handgriffe mit einbauen, um Symptome zu verhindern/erleichtern. Man sollte die Wohnung nur an Tageszeiten lüften, an der die Pollenbelastung gering ist, gegebenenfalls bei intensivem Regenfall, da hier die Pollenbelastung sehr gering ist. Man kann öfters die Kissenbezüge wechseln und die Haare vor dem Schlafengehen waschen, um nachts eine möglichst geringe Pollenbelastung zu gewährleisten. Die Wäsche wirkt wie ein Magnet für Pollen und sollte daher nicht im Freien getrocknet werden und man sollte sich auch nicht im Schlafzimmer umziehen. Pollenallergiker sollten auch das Rasenmähen vermeiden, da hier große Mengen an Pollen aufgewirbelt werden. Nasenduschen mit sterilen (Salz-)Wasserlösungen können auch helfen, Pollen von den sensiblen Schleimhäuten zu entfernen.
Bibliographie
- Illustration mit Hilfe von Biorender erstellt
- Neue Methode findet auch ausgefallenen Allergien
- Enstehung von Allergien
- Risikofaktoren
- Asthma and Allergies in Rural Areas of Europe
- Wie entsteht eine Allergie?
- Ahrens B, Posa D. Prevention of allergies in childhood – where are we now?. Allergol Select. 2017;1(2):200–213. Published 2017 Aug 4.
- Natsume, Osamu et al., Recent advancement to prevent the development of allergy and allergic diseases and therapeutic strategy in the perspective of barrier dysfunction, Allergology International , Volume 67 , Issue 1 , 24 – 31
- Reynolds LA, Finlay BB. Early life factors that affect allergy development. Rev. Immunol. 2017;17:518–528.
- Wikipedia