Der Unterschied zwischen Homöopathie und Pflanzenheilkunde

Veröffentlicht im luxemburgischen Magazin Revue (Nr 11/2019)
Es gibt seit Längerem eine (wissenschaftliche) Diskussion, die immer mehr ihren Weg in die Öffentlichkeit findet. Es handelt sich um die Debatte rund um die Definitionen der Begriffe „Homöopathie“ und „Pflanzenheilkunde“. Aber worin besteht der Unterschied?
Zurzeit werden die Begriffe „Homöopathie“ und „Pflanzenheilkunde“ oft als Synonyme verwendet. Dabei könnten sie nicht unterschiedlicher sein. In einer Zeit, in der die Schulmedizin als sehr chemisch invasiv angesehen wird und das Vertrauen in die Wissenschaft immer kleiner wird, haben die als sanfter geltenden Methoden der Homöopathie oder der Pflanzenheilkunde wieder etwas an Raum gewinnen können.
Was ist Homöopathie?
Homöopathie wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Samuel Hahneman erfunden und basiert auf 2 Prinzipien. Das erste Prinzip beschreibt „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“ („Similia similibus curentur“) und das zweite besagt, dass die Wirkung eines homöopathischen Mittels durch seine Verdünnung verstärkt wird (nach dem Prinzip „weniger ist mehr“). Die Philosophie dahinter beschreibt, dass „die Grundsubstanz an einem gesunden Menschen ein ähnliches Krankheitsbild hervorrufen sollte, wie das, an dem der Kranke leidet.“ Zum Beispiel: Trinkt man zu viel Kaffee, wirkt das Koffein schlafstörend. Eine homöopathisch verdünnte Koffeinlösung sollte daher jemandem mit Schlafstörungen helfen. Homöopathische Verdünnungen sind aber so verdünnt, dass sie nicht einmal mehr ein Molekül des Wirkstoffes enthalten. Eine biologische Wirksamkeit ist daher völlig ausgeschlossen. „Die Idee dahinter ist, dass der Alkohol oder das Wasser [in dem die homöopathische Verdünnung gemacht wird] sich irgendwie an das aktive Molekül erinnern kann und so den Körper beeinflusst.“ Wenn dieser Glaube der Homöopathie stimmen würde, dann könnte jedes Glas Wasser uns von vielen Krankheiten heilen.
Meinung versus Wissenschaft?
Obwohl das Entstehen der Homöopathie, in einer Zeit in der die „Medizin“ qualvolle und unwissenschaftliche Methoden benutzt hat, teilweise nachvollziehbar ist, wurde sie dennoch etliche Male von der modernen Medizin und Wissenschaft nicht nur als unwirksam, sondern auch als Betrug geoutet. Aber manche Menschen schwören auf ihre Wirksamkeit. Was bewirkt dann die Homöopathie in unseren Körper?
Für diese Effekte gibt es einige mögliche Erklärungen. Eine Linderung der Symptome durch eine homöopathische Behandlung kann oft den Selbstheilungskräften des Körpers zugeschrieben werden. Nach einiger Zeit wird der Körper eine Erkältung selbst bekämpfen oder die Kopfschmerzen vergehen. Vielleicht ist man auch schon „über das Schlimmste hinweg“ wenn man mit der Therapie anfängt. Nicht zu unterschätzen ist auch der psychologische Effekt durch das Interesse und die Zuneigung eines anderen Menschen, in diesem Falle dem Homöopathen. Wer sich ernst genommen fühlt, dem geht es oft schon besser.
Nun wurde wissenschaftlich noch eine Möglichkeit in Betracht gezogen und bewiesen: Homöopathische Mittel wirken oft durch den Placebo Effekt. So kann der Glaube an eine heilende Therapie manchmal sogar eine Heilung bewirken. (Dieses ist aber nicht mit der „Kraft des positiven Denkens“ zu verwechseln). Traurigerweise kommt es auch manchmal vor, dass Hersteller homöopathischer Mittel aktive Substanzen (in biologisch wirksamer Konzentration) unter ihre Mittel mischen, um vermutlich durch das Vorspielen falscher Tatsachen, den Glaube an die millionenschwere Homöopathie-industrie aufrechtzuerhalten (ein Beispiel dafür hier)
Die Gefahr hinter dem falschen Glauben
Da die Gesundheitsinstitutionen vieler Länder noch immer die Homöopathie als wissenschaftlich anerkannte Heilmethode ansehen, verbreitet dies eine falsche Sicherheit bei dessen Nutzung. So übernehmen viele Krankenkassen oder Zusatzkrankenversicherung noch immer die Kosten einer homöopathischen Therapie.
„Wenn es nicht hilft, schadet es sicher nicht“ ist auch ein Gedanke, den viele Menschen der Homöopathie gegenüber pflegen. Leider birgt diese Einstellung auch bei der Homöopathie ihre Gefahren – wenn bei verschiedenen Erkrankungen homöopathisch behandelt wird, anstatt mit biologisch wirksamen Präparaten, kann der Patient durchaus negative Folgen davontragen. So kann sich zum Beispiel eine Krebserkrankung verschlimmern oder eine Infektion weiter ausbreiten. Die als Pseudowissenschaft klassifizierte Homöopathie sollte daher nie Teil einer seriösen medizinischen Behandlung sein.
Was ist Pflanzenheilkunde?
Pflanzenheilkunde (auch unter den Bezeichnungen Phytotherapie oder Kräuterheilkunde bekannt) besteht aus dem Wissen, wie man Heilpflanzen zur Behandlung von Krankheiten verwenden kann. Es ist eine der ältesten und bekanntesten medizinischen Heilansätze. Man nimmt eine Pflanze (oder Teile davon) und lässt die darin enthaltenen Wirkstoffe ihre Wirkung im Körper entfalten. Diese helfen bei der Linderung der Symptome oder Heilung verschiedener Krankheiten. Im Gegensatz zu denen in der westlichen Medizin oft benutzten einzelnen Wirkstoffe, werden in der Phytotherapie keine isolierten Einzelstoffe verwendet.
Viele unserer Medikamente stammen aus Pflanzen (oder Pilzen) und man kann ihre Wirksamkeit nicht leugnen. So hat man zum Beispiel die ersten Antibiotika aus einem Pilz gewonnen. Andererseits wurde bewiesen, dass die regelmäßige Einnahme von Ingwer Menstruationsbeschwerden genauso gut lindert wie das gängig benutzte Schmerzmittel Ibuprofen. Man denke auch nur an die Wirkung verschiedener Opiate wie Morphin oder Heroin oder verschiedene Gifte wie Botox (Botulinumtoxin) oder Schlangengift. Pflanzenheilkunde wirkt – der Gedanke hingegen „Wenn es nicht hilft, schadet es nicht“ gilt in Hinsicht der Phytotherapie sicher nicht. Jedes Medikament der „westlichen Medizin“ enthält mindestens ein Wirkstoff, der umfangreich auf seine positiven und negativen Wirkungen analysiert und ausführlich getestet wurde. Eine Pflanze hingegen kann eine riesen Anzahl von Wirkstoffen produzieren, die jeder einzeln auf den Körper wirkt. Die Pflanzenheilkunde ist daher nicht immer so sanft und ungefährlich, wie ihr Image es vermittelt.
Interessante Fallstudie: Johanniskraut
In der Pflanzenheilkunde gilt das Johanniskraut unter anderem als stimmungsaufhellend, angstlösend und mild sedierend. Sogar in der traditionellen chinesischen Medizin hat Johanniskraut einen wichtigen Platz und wird als Leber reinigend/öffnend, angstlösend und beruhigend beschrieben.
Die (jetzt bekannte) biochemische Basis für die Wirksamkeit des Johanniskrauts kann sich wie folgt erklären: Johanniskraut enthält Stoffe, die unter anderem die Wiederaufnahme von Neurotransmittern wie Serotonin und Noradrenalin hemmen. Gängige Antidepressiva wirken ähnlich – die Level verschiedener Neurotransmitter werden erhöht, was die stimmungsaufhellende Wirkung von Johanniskraut erklärt.
Wie erklärt sich der Effekt auf die Leber? Johanniskraut wirkt stimulierend auf die Produktion von Cytochrom P450, ein Enzym, das für den Abbau und Metabolisierung chemischer Stoffe in der Leber zuständig ist. Medikamente und andere Stoffe werden schneller abgebaut, was ihre Wirksamkeit reduzieren kann.
Ein schneller Abbau von exo- und endogenen Stoffen kann aber durchaus auch gefährlich werden. Ein Beispiel dafür ist die gleichzeitige Einnahme von Johanniskraut und Immunsuppressiva nach einer Organtransplantation – wenn die Letzteren schneller abgebaut werden, kann es zu einer Abstoßungsreaktion kommen. Ein weiteres Beispiel stellt die Einnahme der Pille dar – durch eine gleichzeitige Einnahme mit Johanniskraut, besteht die Gefahr einer Schwangerschaft, da die Hormone zu schnell abgebaut werden, um ihre verhütende Wirkung zu entfalten.
Johanniskraut wird aber auch in der Homöopathie verwendet. Eine gängige Verdünnung für dieses Kraut ist eine Potenz C12 – dies entspricht einer Verdünnung von einem Tropfen in dem 100.000-fachen Volumen des Atlantiks. Statistisch enthalten diese Präparate nicht einmal mehr 1 Molekül des Ursprungsextraktes. Eine biologische Wirkung ist auszuschließen, es ist jedoch schwer den psychologischen Effekt einer homöopathischen Behandlung zu messen.
Es gilt daher eine goldene Regel: wenn es um die eigene Gesundheit geht, sollte man jede Therapie einmal kritisch hinterfragen. Besser einmal mehr als einmal zu wenig nachfragen – ein kompetenter Arzt wird sich die Zeit nehmen.
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Bibliographie:
- Wikipedia Pflanzenheilkunde
- “Natural products derived from plants as a source of drugs”
- “Comparison of effects of ginger, mefenamic acid, and ibuprofen on pain in women with primary dysmenorrhea.”
- Wikipedia Homöopathie
- “Everything you wanted to know about homeopathy but never asked”
- “Homeopathy is where the harm is: Five unethical effects of funding unscientific remedies”
- “Homeopathy is unscientific and unethical “
- “Wie Naturstoffe die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen beeinflussen“
- „The truth about homeopathy
- A systematic review of systematic reviews of homeopathy
- Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy
- Homöopathie – money for nothing
- „Forscher: „Homöopathie ist gesundheitsschädlich„
- “Die Nestbeschmutzerin”
- FDA: Toxic Belladonna In Homeopathic Teething Product