Impfungen: Fake News oder Lebensretter?

Veröffentlicht im luxemburgischen Magazin Revue (Nr 7/2019)
Kein Thema polarisiert zurzeit so sehr wie die Diskussion über die Wirksamkeit von Impfungen. Dabei gibt es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft keinen Zweifel: Impfungen funktionieren. Die Weltgesundheitsorganisation hat 2019 die Impfmüdigkeit/Impffaulheit zu einer der 10 größten Bedrohungen für die globale Gesundheit erklärt. Aber woher stammt diese Skepsis und wie funktionieren Impfungen wirklich?
Impfungen sind eine der bedeutendsten medizinischen Errungenschaften der Menschheit. Aber eine immer stärker werdende Gruppe an Impfgegnern zweifelt an ihrer Effizienz. Laut WHO wird geschätzt, dass Impfungen 2-3 Millionen Leben im Jahr retten. Aber die Erfolgsgeschichte „Impfungen“ lässt sich nur schwer in Zahlen erfassen. So haben Impfungen in den letzten 2 Jahrhunderten schreckliche Infektionskrankheiten wie Pocken ausgerottet, sowie unter anderem die Kindersterblichkeitsrate massiv gesenkt.
Ein Ausflug in die Geschichte – Impfungen gibt es seit Jahrhunderten
Das Konzept sich gegen bestimmte Erkrankungen zu immunisieren gibt es seit sehr langer Zeit. Schon seit Jahrhunderten benutzen Menschen in China und dem Nahen Osten das Prinzip der Variolation: Viren wurden aus den Wunden eines Pockenerkrankten genommen, der die Krankheit aber überlebt hat. Dieses abgeschwächte Material wurde nun subkutan an gesunde Menschen weitergegeben, was eine Immunität hervorrufen soll. Diese Methode funktionierte, trug aber auch ihre Risiken, da mit einem lebenden Erreger gearbeitet wurde. 2-3% dieser Menschen erkrankten an den Pocken und einige starben auch.
Im 18ten Jahrhundert beobachtete der Landarzt Edward Jenner, dass Milchmägde, die an den harmloseren Kuhpocken erkrankt waren, immun gegen die viel gefährlicheren Pocken waren. Er entwickelte also die erste „Vakzination“ (Im Englischen „vaccination“) – benannt nach dem „Vacciniavirus“ (aus dem lateinischen vacca = Kuh). Ein riskantes Experiment: um eine Immunität gegen Pocken beweisen zu können, infizierte er unter anderem seinen eigenen Sohn sowie den Sohn seines Gärtners mit Kuhpocken und später setzte er sie den gefährlicheren Pocken aus. Dies brachte ihm dann die Bestätigung, dass seine Hypothese stimmte. Die Ära der Impfungen hatte angefangen.
Wie funktionieren Impfungen? Sie nutzen körpereigene Mechanismen!
Unser Körper hat Mechanismen um sich gegen fremde, teils gesundheitsbedrohliche Stoffe und Mikroorganismen zu wehren – das Immunsystem. Dabei kann unser Immunsystem erkennen was zu uns gehört und was fremd ist. Kommt der Körper in Kontakt mit einem (gefährlichen) Erreger, so bildet er dagegen eine Immunreaktion um dagegen anzukämpfen.
Bei einer Impfung werden tote, geschwächte oder nur Teile eines Erregers benutzt um eine Immunreaktion hervorzurufen – eine “Übung für den Notfall“ sozusagen. Der Körper kann sich an den Kontakt erinnern, und wenn er dann mit dem (gefährlicheren) Erreger erneut in Kontakt kommt, ist er schneller bereit sich zu wehren. Das Argument, sich nicht impfen zu lassen um das Immunsystem zu stärken ist daher nicht richtig. Ganz im Gegenteil: zum Beispiel schwächt eine überstandene Masernerkrankung das Immunsystem so stark, dass das Risiko an anderen Infektionskrankheiten zu sterben viel höher ist.
Das Argument das Kombiimpfungen das Immunsystem eines Kindes überfordert stimmt so auch nicht, da wir tagtäglich mit hunderten oder tausenden Erregern, Parasiten und Fremdstoffen in Kontakt kommen und der Körper sich immer wehrt.
(Zur Info: Wenn der Körper den Unterschied zwischen eigenem und fremdem nicht genau erkennen kann, kommt es ab und zu dazu, dass der Körper sich selber angreift – dies ist der Fall bei einer Autoimmunerkrankung, wie zum Beispiel Multiple Sklerose oder Zöliakie (Gluten Intoleranz).)
„Wenn andere geimpft sind, brauch ich ja nicht impfen!“ – Was ist Herdenimmunität?
Wenn ein hoher Prozentsatz einer Bevölkerung gegen eine Krankheit geimpft ist, so kann dieser Erreger sich nur schlecht oder gar nicht verbreiten. Dieses Phänomen der „Herdenimmunität“ schützt anfällige Mitglieder der Bevölkerung wie Neugeborene, ältere Menschen oder Personen mit einem geschwächten Immunsystem. Fällt der Prozentsatz der geimpften Bevölkerung unter eine gewisse Grenze, so ist dieser Herdenschutz nicht mehr gegeben, und der Erreger findet fruchtbaren Boden um sich zu verbreiten. Ein gutes Beispiel dafür ist die erneute Verbreitung der Masern in Ländern in denen diese Infektionskrankheit als fast ausgerottet galt. Das Prinzip der Herdenimmunität gilt aber nur für Krankheiten, die von Menschen zu Menschen übertragen werden. Bei Krankheiten wie Tetanus zum Beispiel, spielt Herdenimmunität keine Rolle, da diese Krankheit nicht von Menschen zu Menschen übertragen wird und ungeimpfte nur selber die Konsequenzen einer Erkrankung tragen.
Bei verschiedenen Krankheiten gelten auch verschiedene Impfraten um eine Herdenimmunität zu gewährleisten: dies hängt vom Ansteckungspotenzial der Krankheit ab. Bei den Masern zum Beispiel sollen rund 95% der Bevölkerung geimpft sein, um eine Verbreitung zu vermeiden. Bei anderen Krankheiten wie Diphterie oder Polio liegt dieser Prozentsatz bei 85%.
Fake News: MMR Impfung und ihr Link mit Autismus
Einer der größten Betrüge in der Geschichte der modernen Wissenschaft mit weitreichenden fatalen Konsequenzen ist die Publikation einer Artikels durch Andrew Wakefield, in dem ein Zusammenhang zwischen der Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (die sogenannte MMR) und Autismus hergestellt wird. Finanzielle Anreize hatten den inzwischen diskreditierten Arzt dazu gebracht eine erfundene Studie zu veröffentlichen, um Eltern eines an Autismus erkrankten Kindes dazu zu helfen, den Hersteller des Impfstoffes zu verklagen. Dieser Artikel wurde als Schwindel entpuppt und vollständig zurückgezogen.
Aber obwohl diese Desinformation publik gemacht wurde und der Arzt seine Lizenz verlor, fielen die Impfraten besonders in dem Vereinigten Königreich ab. Anfänglich konnte die Herdenimmunität der Bevölkerung dies puffern, was fälschlicherweise die Meinung bestätigte, dass Impfungen nicht lebensnotwendig sind. Heutzutage spüren wir aber die Konsequenzen einer unzureichenden Impfrate. In den USA wurde kürzlich der Notstand in Washington aufgerufen, da ein größerer Ausbruch an Masern befürchtet wird. Dieser Ausbruch hat in einem Teil der Bevölkerung Fuß gefasst, die aus Lifestyle Gründen Impfungen noch immer ablehnen.
Aber was ist mit den Nebenwirkungen?
Jede Impfung kann Nebenwirkungen haben. Jedoch sind die Nebenwirkungen sehr selten und sollten nicht die enormen Vorteile von Impfungen überschatten. Die meisten Nebenwirkungen sind harmlos, wie eine gerötete Einstichstelle oder milde Symptome wie leichtes Fieber oder Schlappheit. Der Körper braucht viel Energie um eine vollständige Immunreaktion auszuführen.
Es gilt jedoch, dass die Risiken von möglichen Nebenwirkungen einer Impfung der schweren und oft fatalen Konsequenzen einer richtigen Erkrankung vorzuziehen sind. Außerdem sind Nebenwirkungen, die eine Impfung hervorruft, oft abgemilderte Symptome dieser bestimmten Krankheit. Eine volle Erkrankung würde häufig die gleichen Effekte/Symptome hervorrufen – oft in viel schwerwiegender Form.
Die Impfgegner benutzen oft das Argument, dass die Nebenwirkungen von Impfungen schlimmer sind als die Krankheit selbst. Das sind sie nicht. Der historische Aspekt wird oft vernachlässigt: Unsere Generationen haben die Leiden, die diese Krankheiten (Pocken, Polio, Keuchhusten etc.) mit sich bringen nie erlebt – auch nicht wie weltverändernd Impfungen waren, die diese Krankheiten in Schach gehalten oder sogar ausgerottet haben. Diese Wahrnehmung ist trügerisch und teils wieder auf die Herdenimmunität der Bevölkerung zurück zu führen.
Was nun?
Die Entscheidung zu impfen oder nicht ist keine persönliche Entscheidung, sondern sollte mit einem altruistischen Auge betrachtet werden. Die Herdenimmunität zu gefährden heißt Menschen zu gefährden, die nicht geimpft werden können. Dazu kommt, dass in einer Ära in der gleichzeitig das Phänomen der mikrobiellen Resistenzen unsere globale Gesundheit bedrohen, Impfungen uns an 2 Fronten schützen: erstens bilden sie eine solide Barriere gegen die Verbreitung tödlicher Krankheiten. Außerdem reduzieren sie die Nutzung von antibiotischen Medikamenten, die das Auftreten von Antibiotika resistenten Erregern fördern.
Die Entscheidung von Impfskeptikern und Impfgegnern sich oder ihre Kinder nicht zu impfen, fängt nun an die Gesundheit der ganzen Bevölkerung zu gefährden, da die Herdenimmunität oft nicht mehr gegeben ist. Mit Argumenten wie schwere Nebenwirkungen, einen Zusammenhang mit Autismus oder die Beeinträchtigung und Schwächung des eigenen Immunsystems wollen sie überzeugen – jedoch offenbart sich hier ein unzureichendes Verständnis, wie Impfungen wirklich funktionieren. Fakt ist, dass Impfungen nicht nur uns schützen, sondern auch die Menschen um uns herum. Deshalb sollte die Entscheidung zu impfen keine individuelle sein, sondern Pflicht.
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Bibliographie
- Alana Colleen. (2015). „Die stille Macht der Mikroben“. München: Rieman Verlag, ISBN 978-3-641-15272-7
- Abbas, A. K., Lichtman A. H., Pober, J. S. (2000). „Cellular and molecular Immunology“. W.B. Saunders Company, ISBN 0-7216-8233-2
- Herd immunity threshold for selected diseases 2013
- Kung, J. “Vaccines and public health”. Presentation
- Jonson, S. “Anti-vaccine movement is powered by ‘hysteresis’, study reveals”
- CDC Vaccines
- Deer, B. (2004). “Revealed: MMR research scandal” , The Sunday Times
- Briseño, C. (2010). „Das offizielle Ende eines Forschungskandals“. Der Spiegel
- Szabo, L. “Study finds vaccine side effects extremely rare”, USA Today
- Wikipedia (Vacciniavirus, Pocken, Variolation, Edward Jenner)
- “Comparisons of the effects of diseases and the side effects of vaccines” Govornment of Western Australia, Department of Health
- WHO “Vaccination greatly reduces disease, disability, death and inequity worldwide”
- Redl, B. (2019). „Daten & Fakten: Was sie über Masern wissen müssen“. Der Standard