Meine Mutter – meine Lehrerin!

Hast Du jemals den Ausdruck gehört „Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern passiert?“ Wenn ja, dann sind du und ich uns ähnlicher als du denkst..
Meine Mutter hätte am 12. August Geburtstag gehabt, sie wäre dieses Jahr 70 geworden. Leider ist sie im März 2015 gestorben. Seine eigene Mutter zu verlieren ist so traumatisch, dass nur diejenigen unter Euch, die es miterlebt haben, verstehen werden. Ich spreche nicht über die Art und Weise, wie sie gestorben ist, sondern wie es noch immer jeden Aspekt meines Lebens als Mensch, Tochter und Frau beeinflusst.
Ich wollte etwas über meine Mutter schreiben, ähnlich wie ich es bei meinem Vater im Juni an seinem Geburtstag gemacht habe. Leider ist das Leben etwas dazwischen gekommen, aber nun ist es so weit.
Reisen ist anstrengend – aber es ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in meinem Leben. Ich bin jetzt schon seit fast einem Monat unterwegs, und nur wenig davon war wirklich regenerativ. Kanada, Luxemburg und die Niederlande – ich in erschöpft, habe es aber genossen. Und ich hatte zum Glück die Möglichkeit, ein bisschen in meine Gedanken zu ordnen, und dafür bin ich sehr dankbar.
Ich möchte Dir gerne einiges über meine Mutter erzählen: Meine Mutter hat mir vieles beigebracht.
Meine Mutter war eine komplizierte Frau und sie hat mir beigebracht, wie ich essen und trinken soll, wie ich gehen und reden kann, wie ich mich anziehen soll und mich um mich kümmern kann. Aber unter vielen anderen Dingen hat meine Mutter mir das Kochen beigebracht – und ich bin mir sicher, sie hätte sich niemals gedacht, dass dies so eine große Rolle in meinem Leben einnehmen würde.
Meine Mutter hatte eine seltene Gabe: sie war eine außergewöhnliche Köchin – wenn sie eine Mahlzeit aufgetischt hat (egal was es war), dann ist es um den Tisch still geworden. Ich denke sie hätte ein Talent für Chemie gehabt, hätte sie die Möglichkeit gehabt zu studieren. Vielleicht kommt ja mein Talent für die Wissenschaft teils auch von ihr: mein Vater war Ingenieur und meine Mutter eine exzellente Köchin. Meine ersten „Suppen“ bestanden aus einer Schüssel Wasser, wo meine Schwester und ich jedes Kraut, Gewürz und jede Soße reingemischt haben, die uns zwischen die Finger gekommen sind. Schon sehr früh hat sie uns in der Küche mithelfen lassen, und uns die einfachsten und langweiligsten Aufgaben übertragen, wie das Kartoffelschälen oder den Salat waschen – ich hasse es immer noch 🙂 Ich glaube nicht, dass sie uns das Kochen beigebracht hat, weil wir Mädchen waren, sondern eher weil unsere ganze Familie gutes Essen mag. Sie wollte uns die Möglichkeit mitgeben, alles kochen zu können, was unser Herz oder das eines anderen begehrt.
Aber das Wichtigste, was sie mir über Essen beigebracht hat, war nicht das Kochen, sondern welch eine zentrale Rolle es im Leben hat. Eine Mahlzeit mit einem lieben Menschen zu teilen ist für mich noch immer einer der schönsten und intimsten Erlebnisse, die man mit einem anderen Menschen haben kann. Man teilt die Formen, Farben, Gerüche und Geschmäcker. Man teilt aber auch das Wohlbefinden, das es bringt – es ist eine der einzigen Situationen im Leben, wo man genau weiß, was ein anderer Mensch spürt und empfindet.
Meine Mutter hat mich aber auch Dinge gelehrt, die sie nicht wollte. Sie war schlussendlich auch nur ein Mensch, wie wir alle. Trauer ist wirklich heimtückisch und sie hat davon auch eine gute Portion abbekommen. Aber wenn man dann selber diese Trauer erfährt – dann fängt man an zu verstehen. Es gibt kein „Reiss dich zusammen“ oder „das Leben geht weiter“ in dem Moment.
Meine Mutter hat mir vieles beigebracht, am wenigsten aber, wie ich ohne sie weitermachen soll. Ich würde sehr viel geben um eine letzte Mahlzeit mit ihr zu teilen.
Aber das Leben geht trotzdem weiter und man darf es nicht verpassen. Also stehe ich jeden Tag auf und versuche jeden Tag mit offenen Augen und einem offenen Herzen zu leben. Um mich zu respektieren und um sie zu ehren.
Wenn Du Dich jemals auch so gefühlt hast oder so fühlst, bitte melde Dich einfach. Ich werde immer ein offenes Ohr haben, und glaub mir: es gibt nichts Tröstenderes als mit Gleichgesinnten zu reden.